Fünf Mannschaftskämpfe, fünf Siege – unsere Saisonbilanz war im Vorfeld des heutigen Mannschaftskampfes gegen das Tabellenschlusslicht Bad Essen makellos. Während wir inzwischen begründet in Richtung Tabellenspitze schielen, sind die Essener darum bemüht, erste Punkte im Kampf um den Klassenerhalt einzufahren.
Klare Rollenverteilung vor dem heutigen Spiel: Wir sind ungeschlagener Tabellenzweiter, Bad Essen punktloser Tabellenletzter.
Und nicht nur die Tabellenkonstellation deutete darauf hin, dass wir zum allerersten Mal als klarer Favorit in den Mannschaftskampf gehen würden. Auch der direkte DWZ-Vergleich sprach eine deutliche Sprache. An sieben von acht Brettern waren wir zum Teil eindeutig favorisiert – es hätte doch gar nichts schiefgehen können, oder? Mit folgender Aufstellung traten die Kaponieros an, um ihre Siegesserie fortzusetzen: Nazar, Dirk, Duc, Günter, Kai, Christoph, Rainer und Ralf.
Brett 3: Die erste Entscheidung fiel an Brett drei, ohne dass überhaupt ein Zug ausgeführt wurde. Ducs Gegner ist kurzfristig erkrankt und musste passen. 1:0
Brett 8: Unser Teammanager Ralf rückte für den im Urlaub befindenden Emil in die Mannschaft nach. Ralf führte die weißen Steine und spulte seine fast schon großmeisterverdächtige Theoriekenntnisse in der spanischen Eröffnung ab. Die Partie blieb in der Eröffnung ausgeglichen, bis seinem Gegner Alexander Kress der Fehler unterlief, Ralf die halboffene f-Linie zu überlassen.
Alexander Kress schlug auf f4. Ein schwerwiegender Fehler, wie sich wenig später herausstellte. Ralf nahm handlungsschnell mit dem Turm auf f4 wieder…
…um Druck auf den wunden Springer auf f6 aufzubauen. Mit einem fast schon bilderbuchartigen Qualitätsopfer bog Ralf schließlich in die Siegerstraße ein.
Ohne großartig über die Materialgewichtung nachzudenken, opferte Ralf eine Qualität für mustergültiges Angriffsschach. Die „Mama“ schaltete er mit in den Angriff ein, flankiert wurde sie von zwei monströsen Springern. Kress‘ Stellung kollabierte, Ralf rang seinen Gegner spektakulär nieder.
Kurze Zeit später war Game Over. Die Stellung war für Schwarz nicht mehr zu halten.
Ralf (graues Shirt) fuhr mit seinem heutigen Erfolg seinen zweiten Sieg in Folge ein.
Ein Auftakt nach Maß für uns und für Ralf eine Partie für das private Archiv. Der Schönheitspreis für den ansehnlichsten Angriff geht an unseren Manager. 2:0
Brett 3: Dirk entschloss sich diesmal, dass klassische Londoner System zu spielen. Wirklich ereignisreich ging es zwischen ihm und seinem Gegner Olaf Dunkhorst aber nicht zu. Bereits nach 13 Zügen verständigte man sich auf eine Punkteteilung. 2,5:0,5
Viel hätte man auf beiden Seiten nicht unbedingt herausholen können. Dirk und Dunkhorst remisierten frühzeitig.
Dirk (rechts im Bild) bleibt weiterhin mit 4/5 ungeschlagen.
Brett 5: Ohne wirkliche Theoriekenntnisse in der Hand fabrizierten mein Gegner Frank Mengler und ich eine Zugfolge, die so vermutlich nicht häufig aufs Brett kommt. Die Engine goutierte die meisten Eröffnungszüge. Im 9. Zug entschied sich Mengler jedoch für das sehr langsame h3?.
Auf den ersten Blick könnte man h3 vielleicht sogar etwas abgewinnen. Er verhindert präventiv ein künftiges Sg4 oder Lg4. Das Problem bestand aber darin, dass durch den Zug die Entwicklung vernachlässigt wurde. Während fast alle schwarzen Figuren aktiviert werden konnten, steht der weiße König immer noch völlig nackig im Zentrum, die beiden Läufer haben auch noch nicht ins Spiel gefunden.
Mein Gegner verschaffte mir ohne jegliche Not ein Quasi-Tempo. Ich bediente mich auf c4 und hielt am Mehrbauern fest. Kompensieren konnte Mengler den minimalen Materialnachteil nicht. Ich schaltete meine Figuren in den Angriff ein…
Die Route des schwarzen Turms ist offensichtlich. Über die sechste Reihe, h6 oder g6, sollte er ins Spiel finden.
Am Ende war es ein taktischer Schlag, mit dem ich meinen Gegner wenige Züge später zur Aufgabe zwang.
Eine kleine Taktikaufgabe: Schwarz am Zug gewinnt. Auflösung im nächsten Bild.
Sxh3!! lautet die Lösung! Die Stellung meines Gegners brach in sich zusammen: Sxh3, gxh3, Txh3+, Th2, Txh2+, Kxh2 und Td6!! mit unaufhaltsamen Matt.
Schachfreund Mengler (links) gab in dieser Stellung auf. 3,5:0,5
Brett 4: Mal vogelwild, dann mal wieder vollkommen statisch: Günters Stellungstypen wechseln schneller als der FC Bayern seine Trainer. In folgender Stellung verpasste Günter die Gelegenheit, die Partie dynamischer zu gestalten:
Günter (Weiß) entschied sich hier f4 zu ziehen. Durchaus nachvollziehbar, möchte man doch den Springer auf e5 gerne um ein weiteres Mal unterstützen. Allerdings wäre das mutige g4! an dieser Stelle etwas besser gewesen. Unsere Legende hätte vermutlich auch g4 gezogen, wenn ein Sieg vonnöten gewesen wäre.
In einer eher unklaren geschlossenen Stellung remisierten Günter und sein Gegner Frank Höppner letztendlich:
Die Engine zeigt eine ausgeglichene Stellung an, das Remis scheint leistungsgerecht. 4:1
Günter (rechts im Bild) sicherte uns einen halben Punkt.
Brett 7: Was macht unser Häuptling? Sollte er sich wieder dafür entscheiden, die Mittellinie nicht zu überqueren und den Gegner unter dem Druck des Zeitregimes des klassischen Schachs auf abgeklärte Weise niederzuringen? Mitnichten! Bereits in der Frühphase der Partie sah Rainer sich genötigt, die Dame in des gegnerischen Hälfte temporär zu postieren:
Eine eher seltene, objektiv schlechte, aber nicht zu unterschätzende Variante in der skandinavischen Verteidigung. Weiß opfert einen Bauern, um die schwarze Dame übers Brett zu jagen. Materialabgabe gegen Initiative, so das Argument. Rainer hielt seine Stellung und den Mehrbauern bravourös – im Endspiel resignierte sein Gegner:
Die Stellung lässt sich aus weißer Sicht kaum noch verteidigen. Die Aufgabe ist nicht weiter erklärungsbedürftig. 5:1
Brett 6: Christoph suchte mit den weißen Steinen das richtige Mittel, um die schwer zu durchdringende Caro-Kann Bauernstruktur seines Gegners zu sprengen. Zwar sicherte sich unser Mannschaftsführer früh in der Partie das Läuferpaar, aber…
…die Struktur spricht klar für Schwarz; der schwarze Springer steht auf einem idealen Feld, der schwarze schwarzfeldrige Läufer blickt auf den schwachen Punkt f5. Im richtigen Moment hätte Christophs Gegner, Maximilian Jürgenpott, die Stellung aufreißen müssen.
Stattdessen konnte Christoph alle Leichtfiguren abtauschen und in ein Turmendspiel mit einem Mehrbauern übergehen.
Christoph machte in der Folge alles richtig: Er tauschte auch die Türme ab und überführte die Partie in ein Bauernendspiel. Der Sieg konnte ihm nicht mehr genommen werden. 6:1
Christoph (rechts im Bild) vor seiner Partie gegen Jürgenpott.
Brett 1: Nazars Partie war vielleicht sogar die mit Abstand spannendste von allen. Voller Kreativität gab sein Gegner Steffen Schnier eine Qualität für einen vielversprechenden Angriff. Irgendwie konnte sich Nazar verteidigen und in ein Endspiel überleiten, welches er nach zähem Kneten für sich entschied. 7:1
Auch Nazar steuerte mit seinem späten Sieg einen vollen Punkt zum Endstand von sieben (!!) zu eins bei!
Und jetzt mal zwei „!!“. Wir bezwingen das Tabellenschlusslicht Bad Essen verdient mit 7:1 und untermauern damit unsere bisher überragende Spielzeit. „Überragend“ wird zwar inflationär genutzt, doch treffender lässt sich unsere Saisonleistung einfach nicht beschreiben. Weil Spelle im Parallelspiel gegen Emden den Kürzeren zog (3:5), grüßen wir zum ersten Mal, und das auch noch ganz einsam, von der Tabellenspitze. Noch drei Mannschaftskämpfe stehen aus – Hagen, Nordhorn und Spelle! Das Programm hat es in sich, es deutet einiges darauf hin, dass es am letzten Spieltag beim direkten Aufeinandertreffen gegen Spelle um die Meisterschaft und den damit verbundenen Aufstieg in die Landesliga Nord geht.
Der aktuelle Tabellenstand in der Verbandsliga West. Wir können uns nicht unbedingt beklagen ;-)!
P.S.: Vielen herzlichen Dank an Sascha (hier rechts im Bild während der Analyse), der sich dazu bereit erklärt hat, heute Fotos zu schießen. Als Unterstützung war er den ganzen Mannschaftskampf über dabei!