Eines sei vorweggenommen: Der ersten Advent war für die Kaponieros nichts für schwache Nerven. Wer bis dato den eigentümlichen Charakter von Mannschaftskämpfen nicht zu schätzen wusste, müsste spätestens nach dem Auswärtsspiel am vergangenen Sonntag aus dem Schwärmen nicht mehr herauskommen. Die Spitzenbegegnung der Verbandsliga West bot so ziemlich alles, wonach sich das Schachherz sehnt: feine Kombinationen, unorthodoxe Spielstile, technisch geprägte Endspiele und natürlich ein enger Mannschaftskampf in epischer Länge. Aber der Reihe nach: Eigentlich wären wir erneut in Bestbesetzung nach Emden gereist, jedoch ist Duc, unser bisheriger Top-Scorer, am frühen Morgen gestürzt und vorsichtshalber zu Hause geblieben. An dieser Stelle noch einmal gute Genesung, Duc! Unser Ersatz war schnell gefunden, Ralf feierte im zarten Alter von 45 Jahren sein Verbandsligadebüt. Am achten Brett sprang er für uns in die Bresche, alle anderen Kaponieros rückten dafür ein Brett auf. Wir waren also vollzählig und, wie soll es auch anders sein, hochmotiviert. Was dann gegen Emden folgte, war ein Drama in acht Akten.
Brett 7: Der Sonntagvormittag begann zunächst sehr ruhig. Rainer bekam nach seinem fast schon charakteristischen 1. b4 Stonewall als probates Gegenmittel aufs Brett. Viel kann zu dieser Partie allerdings nicht gesagt werden, denn nach gerade einmal 15 Zügen bot Rainers Gegner, Christian Müller, Remis, dem eingewilligt wurde. 0,5:0,5
Wirklich zur Sache ging es zwischen Rainer und Müller nicht. In dieser Stellung einigten sich die beiden auf Remis.
Sicherte am vergangenen Sonntagvormittag unseren ersten halben Punkt: Rainer.
Brett 8: Während also an Brett sieben relativ unspektakulär die Punkte geteilt wurden, sah sich unser Quasi-Teammanager Ralf früh in der Partie unter Druck gesetzt. Schachfreund Elmar Bruns profitierte von Ralfs Fehler das Zentrum zu öffnen, ohne dem König vorher ein sicheres Plätzchen geschaffen zu haben. Ralf verlor früh eine Figur und konnte keine ausreichende Kompensation mehr dafür finden. 0,5:1,5
Es folgten Te1, Le7 und d6 – damit war die Partie frühzeitig so gut wie entschieden.
Sprang kurzfristig für den verletzten Duc ein: Ralf!
Brett 1: Nazar gegen Andreas Kerker – von dieser Begegnung hatten wir uns im Vorfeld schachlich sehr viel erhofft. Gerne blüht Nazar ja gegen besonders starke Gegner auf. Und zunächst sah es auch so aus, als würde unser Jungspund an diesem Tag nicht chancenlos sein. Doch Nazars vermeintlich cleveres Ablenkungsmanöver, 22. Lg2, ging taktisch nicht auf. Kerker sah die gewinnbringende Zugkombination für Schwarz und tütete den zweiten Sieg der Ostfriesen ein. 0:5:2,5
Den Läufer auf g2 konnte Kerker bedenkenlos nehmen, denn nach Dxf5 folgte Tf8! und Nazars Stellung kollabierte.
Hier ahnte Nazar vermutlich bereits, dass gegen den stark aufspielenden Kerker an diesem Tag nichts zu holen sein sollte.
Brett 4: Ich servierte meinem Gegner Steffen Bartsch die Caro-Kann Verteidigung und war sehr froh, dass Bartsch nicht zu irgendwelchen abseitigen Nebenvarianten griff. Ohne mich ausufernd selbst zu loben, erwischte ich einen Sahnetag; ich bekam eine Stellung aufs Brett, die mir von der Struktur her inzwischen sehr vertraut ist und in der ich mich die ganze Partie über wohlfühlte. Nachdem ich seinen König ins offene Zentrum getrieben hatte, nutzte ich die Kraft meiner verbliebenen Schwerfiguren, um den Deckel drauf zu machen. 1:5:2,5
Das geschulte Auge erkennt wohl, dass es sich um eine Caro-Kann Partie handelt.
Brett 6: Es dauerte ein wenig, bis die nächste Entscheidung an den Brettern fiel. Unser Senior Emil fand leider erneut nicht so richtig in die Partie und musste mit zwei Minusbauern in ein verlorenes Endspiel gehen. Dieter Colgen behielt die Nerven und stellte den alten Abstand wieder her. 1,5:3,5
Musste leider eine Niederlage hinnehmen: Emil.
Emden trennte also nur noch ein Remis von einem Mannschaftspunkt. In diesem Moment bewegte ich mich auf den Fluren des Kulturbunkers und sprach mit Ralf und Nazar. Während Ralf und ich uns gedanklich eher kühn den Mannschaftskampf schönreden wollten, fabulierte Nazar von einem „legendärischen Comeback“. Zu Christophs (lang ausgesprochenes „i“ von Nazar) Partie behauptete er, dass es noch zu unseren Gunsten kippen könnte.
Nazar träumte hier wohl von unserem „legendärischen Comeback“.
Brett 2: Eine doch sehr unorthodoxe Eröffnung wählte Schachfreund Peter Suren gegen Dirk. Wenn sich unter den ersten Weißzügen b3, g4 und h4 finden lassen, kann man als Schwarzspieler schnell ins Schwitzen geraten, ist doch die Gefahr sehr groß, fehlzugreifen.
Sachen gibt’s: Nicht unbedingt einfach, mit Schwarz die richtigen Züge zu finden.
Dirk war zwar auf die Spielweise seines Gegners vorbereitet, jedoch stellte Suren ihn sowohl vor ein Stellungs- als auch vor ein Zeitproblem. Suren spielte auf Sieg, gab bei seinem konstruierten Angriff sogar eine Qualität.
Txh7 war zwar nicht der beste, aber ein durchaus legitimer Zug, um den Angriff fortzusetzen.
Dirk verteidigte sich prächtig, fand vielfach gute bis sehr gute Züge, um das Bollwerk aufrechtzuerhalten. Schrittweise wendete sich Blatt und Dirk konnte durch die immer noch vorhandene Mehr-Qualität problemlos tauschen.
Dirk wickelte mit Te2 clever ab.
Zum Schluss tauschten sich auch die Damen und Dirk gewann standardgemäß das Endspiel. 2,5:3,5
Sicherte uns einen vollen Punkt: Dirk.
Brett 5: In Christophs Partie hielt sich lange Zeit die Waage. Zum Ende hin infiltrierte Christoph jedoch die gegnerische Stellung und er konnte dank einer Kombination und einem glatten Damengewinn auf pari stellen. 3,5:3,5
Christoph mit dem „Killerblick“ nach Sd7 nebst Damengewinn.
Brett 3: Günter hatte gegen Schachfreund Edwin Lehmann einen über weite Strecken ausgeglichenen, geschlossenen Stellungstyp auf dem Brett. Es wurde alles abgewickelt, ehe sich die beiden auf ein wiederum ausgeglichenes Endspiel einließen.
Doch Turmendspiele können bisweilen tückisch sein. Und es kam so, wie Nazar prophezeit hatte: Lehmann machte lehrbuchmäßig alles richtig, um das Remis zu halten. Ihm unterlief unter Zeitnot nur ein folgenschwerer Fehler, den Günter schließlich ausnutzte. Er schnitt den gegnerischen König ab, und peitschte seinen d-Bauern unaufhaltsam nach vorne. Lehmann resignierte und Günter holte sich die wohlverdienten Schulterklopfer und Glückwünsche von uns ab. 4,5:3,5
Kf6 war Lehmanns entscheidender Fehler.
Das Spiel ist aus: Günter sicherte uns den angesichts der Umstände überraschenden Mannschaftssieg.
Was für ein beispiellos spektakulärer Kampf! Zwei Wochen nach unserem knappen Heimsieg gegen Hellern konnten wir auch die Königsspringer aus Emden hauchdünn mit 4,5:3,5 bezwingen. Dank der geschlossenen Mannschaftsleistung überwintern wir auf Tabellenplatz zwei. Etwas verwundert reiben wir uns immer noch die Augen, dass auch nach drei gespielten Ligapartien die weiße Weste steht. Wir bedanken uns bei den Emdener Schachfreunden für den freundlichen Empfang, die angenehmen Spielbedingungen und das Bereitstellen der Getränke. Am 14.01. geht es mit einem Heimspiel gegen den SK Union Oldenburg II weiter.